„Woyzeck“ als Menschenschau

„Woyzeck“ als Menschenschau

Das Theater mobileSPIELE aus Karlsruhe gastierte am Beruflichen Schulzentrum Hechingen. Schülerinnen und Schülern des Beruflichen Gymnasiums wurde in zwei Aufführungen eine überaus gelungene Interpretation von Georg Büchners „Woyzeck“ geboten.

„Ihr werdet gleich keine schöne Geschichte mit Prinz und Prinzessin und Happy End zu sehen bekommen“, warnte Julian W. Koenig, freier Schauspieler aus Karlsruhe, die Schülerinnen und Schüler vor. Und tatsächlich: Die Welt, die er präsentierte, war farblos, grau und blutig, denn Woyzecks Welt ist alles andere als schön.

Woyzeck lebt hinter einem Zaun im Dreck, er ist eine Erbsen fressende Laborratte, durchwühlt blutige Kleider, die von der Gewalt erzählen, die der Mensch dem Menschen antut. Aus diesen Kleidern hat Woyzeck augen- und seelenlose Puppen gemacht, mit denen er seine biografischen Erlebnisse, die zum Mord an Marie führen, noch einmal zwanghaft durchspielt.

Zwar wurden Menschenschauen erst dreißig Jahr nach Büchners Tod abgehalten, doch die Inszenierung greift dies gekonnt auf. Marktschreierische Ansagen aus dem Off zeigen Woyzeck als Mensch aus dem Prekariat, als einen Menschen, den die anderen ignorieren, für den man kein Auge hat. Heute sind das Menschen, die Pfandflaschen sammeln, sich an Altkleider-Containern wegducken und vor vollen Schaufenstern schlafen.  Der Zuschauer wird gezwungenermaßen zum Voyeur, ganz gemäß Büchners Forderung aus „Lenz“: „Man versenke sich einmal in das Leben des Geringsten!“ Die Inszenierung gibt denjenigen eine Stimme, die in der Gesellschaft keine haben und spricht sich dabei deutlich gegen vorschnelles Urteilen aus: Wer hat Schuld am Tod Maries? Es ist bestimmt nicht nur Woyzeck, der zwar den Mord verübt, aber die bedrückenden gesellschaftlichen Umstände spielen eben eine große Rolle.

Das Theater mobileSPIELE aus Karlsruhe gastierte mit Büchners Woyzeck am Beruflichen Schulzentrum Hechingen

 

Dem Solo-Schauspieler Koenig gelang es hervorragend, die Schülerinnen und Schüler diese grauenhafte Welt zu zeigen. Mit unterschiedlichen Stimmen erweckte er lebensgroße Puppen, die Doktor, Hauptmann, Tambourmajor und Marie darstellten, zum Leben. Alle paar Minuten zwang eine Sirene Woyzeck zum Erbsenfressen und der getriebene Woyzeck spielte die Umstände nach, die zum Tod Maries führten.

Die Schülerinnen und Schüler konnten das Spektakel aus kurzer Distanz verfolgen. Koenig bot, was Textsicherheit, Mimik und Gestik anbelangt, eine hervorragende  Leistung, zumal diese in zwei Aufführungen, vormittags und nachmittags, abgerufen wurde. Nicht nur das Publikum war sichtlich beeindruckt, auch Koenig war voll des Lobes: „Als Schauspieler merkt man, wenn das Publikum voll dabei ist. Das war heute so“, bedankte er sich bei den Schülerinnen und Schülern. Dies zeigten auch die vielen Fragen, die nach dem Stück noch gestellt wurden.

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